Rechtsverordnung zu Funktionsverlagerungen wird geändert

Seit 2008 bestehende gesetzliche Regelung …

Das deutsche Außensteuergesetz (AStG) sieht seit dem Jahr 2008 eine besondere Regelung für sogenannte Funktionsverlagerungen vor. Diese besagt im Kern, dass bei einer Funktionsverlagerung auf eine ausländische nahestehende Person (in der Regel ein verbundenes Unternehmen) für steuerliche Zwecke der Verrechnungspreis für die Funktion als Ganzes (sogenanntes Transferpaket) zu bestimmen ist und nicht als Summe der Verrechnungspreise für die einzelnen übertragenen Wirtschaftsgüter. Diese Transpaket-Betrachtung führt regelmäßig dazu, dass auch die zukünftigen Gewinnerwartungen aus der verlagerten Funktion und ein anteiliger Geschäfts- oder Firmenwert vergütet werden müssen. Auch wenn es sich bei den verlagerten Funktionen nicht um vollständige Unternehmen und häufig nicht einmal um hinreichend abgrenzbare Teilbetriebe handelt, muss der anzusetzende Preis nach den Grundsätzen einer Unternehmensbewertung bestimmt werden.

… wurde 2021 angepasst

Mit dem Abzugsteuerentlastungsmodernisierungsgesetz vom 2.6.2021 wurden u.a. die Bestimmungen zur Funktionsverlagerung in einen neuen Absatz 3b in § 1 AStG überführt. Teilweise wurden Regelungen, die bisher in der Rechtsverordnung (Funktionsverlagerungsverordnung, kurz FVerlV) enthalten waren, in den Gesetzestext überführt. Die Neuregelung ist ab dem Veranlagungszeitraum 2022 anzuwenden. Nach Auffassung der Finanzverwaltung soll die Neuregelung im Wesentlichen redaktioneller Natur sein und keine inhaltlichen Abweichungen von der vorher geltenden Rechtslage beinhalten.

Neufassung der Rechtsverordnung …

Die gesetzliche Regelung zu dem hochkomplexen Vorgang einer Funktionsverlagerung ist – in der alten wie der neuen Fassung – vergleichsweise knapp gehalten und bedarf an vielen Stellen einer Konkretisierung. Zu diesem Zweck hat das Bundesfinanzministerium (BMF) mit Zustimmung des Bundesrats und auf Grundlage einer gesetzlichen Ermächtigung eine ergänzende Rechtsverordnung (FVerlV) erlassen. Da die bisherige FVerlV auf der überholten gesetzlichen Regelung beruhte, war eine Neufassung erforderlich. Das BMF hat hierzu am 5.7.2022 den Referentenentwurf einer neuen FVerlV vorgelegt.

… beseitigt Unklarheiten und Anwendungsprobleme?

Das BMF spricht im Zusammenhang mit der Neufassung lediglich von einer Aktualisierung mit Blick auf die gesetzlichen Anpassungen sowie von einer Beseitigung von Unklarheiten und Anwendungsproblemen. Bei näherer Betrachtung ist allerdings zu bezweifeln, ob es sich tatsächlich nur um eine Klarstellung der bisher geltenden Rechtslage handelt. Insbesondere folgende Aspekte bieten Anlass zur Kritik:

  • Nach der Neufassung sollen die gesetzlichen Folgen auch dann greifen, wenn eine Funktion lediglich teilweise übertragen oder überlassen wird. Es steht zu befürchten, dass es damit zu einer weiteren „Atomisierung“ des Funktionsbegriffs kommt.
  • An mehreren Stellen (z.B. Funktionsverdoppelung, begrenzter Kapitalisierungszeitraum, Berücksichtigung von Schadenersatz-, Entschädigungs- oder Ausgleichsansprüchen) reichte es nach der bisher gültigen Regelung aus, wenn der Steuerpflichtige für ihn günstige Umstände „glaubhaft machte“. Die Neuregelung fordert stattdessen einen „Nachweis“, was eine deutliche Verschärfung darstellt.
  • Anders als nach der Vorgängerfassung sollen nach dem Referentenentwurf ausdrücklich auch Steuereffekte bei der Bewertung des Transferpakets zu berücksichtigen sein. Diese international umstrittene Auffassung fand sich bisher lediglich in den Verwaltungsgrundsätzen zur Funktionsverlagerung.
  • Die bisherige Fassung sieht vor, dass in Zweifelsfällen auf Antrag des Steuerpflichtigen von einer Nutzungsüberlassung statt von einer Übertragung ausgegangen werden konnte. Eine entsprechende Option fehlt in dem aktuellen Regierungsentwurf. Dies dürfte zukünftig in zahlreichen Fällen zu einer sofortigen anstelle einer zeitanteiligen Versteuerung führen.


Es bleibt abzuwarten, ob bis zur endgültigen Verabschiedung der Rechtsverordnung noch Änderungen zugunsten der Steuerpflichtigen durchgesetzt werden können. Die Finanzverwaltung wird nach der Verabschiedung vermutlich zeitnah auch ihre bisherigen Verwaltungsgrundsätze aus dem Jahr 2010 an die dann geänderte Gesetzes- und Verordnungslage anpassen. Im Ergebnis dürften Funktionsverlagerungen zukünftig noch stärker in den Fokus von Betriebsprüfungen bei international aufgestellten Unternehmen geraten.

Benno Lange

Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Fachberater für Internationales Steuerrecht

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Nadine Sinderhauf

Steuerberaterin

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