Vorschrift des Erbschaftsteuergesetzes verstößt gegen Europarecht

Hintergrund

Wird ein zum Privatvermögen gehörendes bebautes Grundstück, das zu Wohnzwecken vermietet wird, vererbt, so gewährt der Gesetzgeber einen 10-prozentigen Bewertungsabschlag, wenn das Grundstück in Deutschland oder im Gebiet der EU/des EWR belegen ist. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat nun entschieden, dass diese territoriale Begrenzung auf das Gebiet der EU/des EWR gegen die Kapitalverkehrsfreiheit verstößt. 

Grundbesitz in Kanada nach aktuell geltendem Recht nicht begünstigt 

Der Erblasser verstarb mit letztem Wohnsitz in Deutschland. Er hatte seinem ebenfalls in Deutschland wohnhaften Sohn seinen hälftigen Anteil an Grundbesitz in Kanada vermacht. Die dort belegenen Grundstücke waren zu Wohnzwecken vermietet und wurden im Privatvermögen gehalten. Das Finanzamt setzte den Grundbesitz – entspricht der in Deutschland geltenden Rechtslage – mit dem vollen gemeinen Wert an und versagte den 10-prozentigen Bewertungsabschlag. Hiergegen erhob der Sohn des Erblassers Klage beim Finanzgericht Köln. Da auch das Finanzgericht Zweifel an der Europarechtskonformität dieser Regelung hatte, legte es dem EuGH die Frage nach der Europarechtskonformität zur Entscheidung vor. 

Deutsche Regelung verstößt gegen die europäische Kapitalverkehrsfreiheit 

Der EuGH sieht in der deutschen Regelung einen Verstoß gegen die europäische Kapitalverkehrsfreiheit. Es liegt grundsätzlich eine Beschränkung des freien Kapitalverkehrs vor, wenn die Gewährung von Steuervergünstigungen davon abhängig gemacht wird, dass der Vermögensgegenstand im Inland belegen ist. Hierdurch können Gebietsansässige von Investitionen in anderen Staaten abgehalten werden. Eine Rechtfertigung dieser Beschränkung des freien Kapitalverkehrs aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses ist nach Auffassung des EuGH ebenfalls nicht gegeben. Die deutsche Regierung hatte unter anderem den Erhalt von bezahlbarem Wohnraum als Argument angeführt. Dieses Argument hielt der Gerichtshof nicht für überzeugend, da die deutsche Regelung nicht danach differenziert, ob an dem Ort des Grundstücks tatsächlich besondere Wohnungsnot herrscht. Zudem könnten auch sehr luxuriöse Immobilien von dem Wertabschlag profitieren. Weiterhin stünde es dem Erben frei, den entsprechenden Grundbesitz sofort nach Inanspruchnahme der Steuerbegünstigung zu verkaufen, sodass das Ziel des Erhalts von Wohnraum verfehlt wäre. 

Ausweitung der Begünstigungsvorschrift oder Versuch der europarechtskonformen Anpassung?

Es bleibt abzuwarten, ob der deutsche Gesetzgeber dieses Urteil zum Anlass nehmen wird, die Vorschrift im Erbschaftsteuergesetz anzupassen, und zukünftig den Bewertungsabschlag auch für entsprechende Immobilien in Drittstaaten gewährt. Alternativ könnte der Gesetzgeber versuchen, die Vorschrift dergestalt anzupassen, dass sie tatsächlich und stringent dem Erhalt von bezahlbarem Wohnraum dient. Steuerpflichtige, die über entsprechende Immobilien verfügen, sollten Bescheide offenhalten und gegebenenfalls den Rechtsweg bestreiten, um den 10-prozentigen Bewertungsabschlag zu erlangen.

Dr. Andreas Rohde

Rechtsanwalt, Steuerberater, Fachanwalt für Steuerrecht

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Wirtschaftsprüfer, Steuerberater

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